University of Cambridge - An Ancient Colearning Academy?

Letzte Woche war ich mit meiner Familie für ein paar Tage in Cambridge. Die Stadt ist sehr wichtig für mich. Ich habe dort zwölf Jahre gelebt, unsere Kinder zur Welt gebracht, ich wurde dort promoviert, habe Freundschaften geschlossen und habe dort gearbeitet. Die Jahre in Cambridge haben mich sehr geprägt.

Mir tun Besuche in Cambridge gut. Sie erinnern mich daran, was ich schon erlebt und geschafft habe. Sie animieren mich, weiter zu machen und mein ganzes Potential zu nutzen - im besten Sinn.

Cambridge ist für mich eine Lernblase, in der ich mich wohl fühle. Sowohl das Studieren als auch das Arbeiten an der Universität hat mich inspiriert, gefordet und angetrieben. Es war leicht, anstrengend, spannend, langweilig, lustig, zermürbend, erhebend - it was wonderful.

Ich habe es genossen stundenlang in der University Library zu sitzen, mich in ein Thema zu vertiefen, umgeben von anderen Menschen, die alle ihren eigenen Gedanken nachhängen. Zwischendrin gemeinsame Pausen im tea-room der Bibliothek, Gespräche über unsere Forschung oder über den neusten Klatsch und Tratsch. Ein schönes und priviligiertes Leben.

Die Besuche in Cambridge tun mir auch immer ein bisschen weh... es gibt viele und vieles, das ich dort zurückgelassen haben und das ich vermisse. Und im Hinterkopf bleibt immer die Frage "Was wäre, wenn wir geblieben wären?" (Hier könnte ich jetzt ganz viel zum Thema "Entscheidungen" schreiben. Vielleicht ein anderes Mal... )

Cambrigde University Library oder einfach nur UL

Seit ich mich mit Colearning auseinandersetze, habe ich immer wieder an die Universität in Cambridge gedacht. Das Colearning erinnert mich an manche Aspekte des gemeinsamen Lernens und Lebens dort.

Die University of Cambridge besteht aus 31 Colleges und über 100 Fakultäten und Instituten. Jede:r Student:in und alle Lehrenden gehören einem College und einer Fakultät an. In einem College wird gemeinsam gelebt und gearbeitet. (www.cam.ac.uk).

Ich habe die Universität als "postgraduate", als Promovendin, kennengelernt. In dieser Rolle habe ich eine Mischung aus Freiheit und Anspruch, Ermutigung und Erwartung und dem Gefühl von unendlichen Möglichkeiten erlebt. Ich bin eingetaucht in die Wissenschaft ohne zu wissen, ob ich absaufe oder mit einem Schatz wieder auftauche.

Was mir gefallen, mich nachhaltig beeindruckt und weitergebracht hat, ist die Kultur über das eigene Lernen zu sprechen. Es gibt alle möglichen Formate in denen sich Interessierte treffen und in halbformellen Settings über ihre Themen austauschen. Es werden die neuste Ideen auspropbiert und Feedback in einem wohlmeinenden Umfeld eingeholt.

Ein besonderes und für uns ein etwas kurioses Beispiel dafür sind die "formal halls". Eine "formal hall" ist ein formelles Abendessen in dem Speisesaal eines College. Je nach College sitzt man, umgeben von gotischer Pracht, in einem Abendkleid und Gown dort und wird von einem Butler bedient. Es gibt eine festgelegte Sitzordnung, so dass man jedes Mal neben einer anderen Person sitzt. Eine Standardfrage, die wir uns gegenseitig gestellt haben war "What are you working on?" Und so haben wir fachfremden Menschen immer wieder von der eigenen Forschung erzählt und zwar so, dass es jede:r verstehen konnte. Dadurch wurde wir sprachfähig und musste auch immer wieder über die Relevanz der eigenen Forschung Rechenschaft ablegen. Gleichzeitig hat die Sitznachbarin von ihren neuesten Erkenntnissen erzählt und so wurde mein Horizont weiter und weiter. Wunderbar war es, wenn sich Fachübegreifend neue Ideen ergaben und die Impulse aus anderen Fächern in das eigene Lernen integriert werden konnte. Statt der eher allgemeinen Frage nach dem Forschungsprojekt, haben wir uns auch gegenseitig gefragt "Was hast Du heute neues gelernt?" "Was hat dich diese Woche besonders begeistert?" "Wo bist Du hängen geblieben?" "Was geht gerade nicht?" Es ging um unser persönliches Lernen, miteinander und voneinander zu lernen und gemeinsam Neues zu entdecken. Und das miteinander zu teilen. Nebenbei haben wir gegessen und getrunken und uns bestens amüsiert.

Ein poshes institutionalisiertes Schatzhebungstreffen?!

Ich habe die Universität in Cambrigde als eine grosse, alte, gemeinsam lernende Community erlebt.

Male ich ein zu rosiges Bild von Cambridge? Vielleicht. Cambridge ist elitär, natürlich gibt es massiven Prüfungsdruck, großen Wettbewerb unter den Wissenschaftler:innen, Egoismus und schlichtweg Idioten. Es ist keine heile Welt. Aber es ist immerhin eine Welt, die sich dieser Probleme bewusst ist und versucht sie zu ändern.
Einstieg in einen Colearning Tag im Effinger in Bern

Mein Lernen und mein Lebenslauf kommt mir immer etwas unruhig und unsystemmatisch vor, als ob ich hin und her Laufe, mal hier hereinschaue und mal dort. Unruhig und auf der Suche. Dass ich in dem CAS an der Colearning Akademie mein Lernen als Ganzes systematisch anschauen darf und das vor allem mit einem neuen Blick, ist für mich ein echter Augenöffner. Es ist für mich sehr interessant und belohnend mein über 50-jähriges Lernen zusammenzubringen. Es ist eine Entdeckungsreise gesäumt von Aha Erlebnissen.

Ich stelle fest, dass das Thema Lernen meinen, manchmal etwas zusammenhangslos erscheinenden Lebenslauf, zusammen hält. Neues zu Lernen treibt mich an. Es bewahrt mich vor der Langeweile. Dass das alleine schon ein Wert ist, wird mir immer deutlicher

Ein neues Puzzelstück auf meiner Lernreise.

Bevor wir dieses Jahr in Cambrigde waren haben wir ein paar Tage in London verbracht. Hier ein paar Colearning Impressionen aus London:

Colearning in der National Gallery
Colearing in der British Library
www.bl.uk
Die British Library stellt permant einige ihrer Schätze aus, wie zum Beispiel Textentwürfe der Beatles oder...

... den Codex Sinaiticus (codexsinaiticus.org). Es ist für mich immer wieder zutiefst berührend diese Handschrift zu sehen.

Coworking und Colearning in der Londoner Buchhandlung Foyles. Für zwei Stunden gibt es WLAN, einen Tisch, einen Stuhl und ein Dach über dem Kopf for free.

Einer meiner Lieblingsorte in London ist das Café in der Krypta von St. Martin-in-the-Fields. Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal diese Danksagung an den Ideengeber gesehen. Ein wunderbarer Ort, der Menschen zusammenbringt und in der Mitte des größten Trubels Ruhe gibt.