Sunflower, Vol. 6

Certificate of Advanced Studies

Colearning als Weg zum Empowerment in der kirchlichen Erwachsenenbildung

Das Fandom von Harry Styles als moderne Sakramentserfahrung? Eine Auseinandersetzung mit Gemeinschaft, Identität und Glauben

Dieser Blog Eintrag ist meine Abschlussarbeit. Wie im Colearning üblich, gab es zu der Abschlussarbeit keine Vorgaben. Ich freue mich über die Freiheit, in der ich diese Arbeit schreiben darf. Aus der Wissenschaft kommend bin ich sachliche Texte mit vielen Quellenangaben gewöhnt und eher den Gedanken anderer Menschen zu vertrauen, als meinen eigenen. Im Colearning habe ich gelernt Neues auszuprobieren und meiner Intuition zu vertrauen. Ich habe also meine Abschlussarbeit ohne Zitate und Quellenangaben und durchgehend in der 1. Person Singular verfasst und die Form des Blogs gewählt. Enjoy!

Was hat die Sonnenblume mit meinem Lernen zu tun?

Die Sonnenblume steht für mich als Symbol für Wachstum und Erneuerung – und bildet damit eine treffende Analogie für meinen persönlichen Lernprozess im Rahmen meines CAS Colearning.

An meinem ersten Colearning Tag gab mir mein Coach Christoph Schmitt eine Schachtel mit Samen und einen Blumentopf. Seine Einladung war klar: Etwas wachsen zu lassen. Als Theologin, die mit Symbolen arbeitet, fand ich sofort Zugang zu diesem Bild.

Eine Schachtel voller Samen und ein kleiner Blumentopf – damit begann mein Lernweg an der Colearning Akademie im Effinger. Ein Weg voller Möglichkeiten und Freiheiten. Es war meine Sache, was daraus werden würde. Meine erste Entscheidung: Wie viele Samen könnten im kleinen Blumentopf wachsen? Ich wählte schließlich einen einzelnen Sonnenblumenkern und legte ihn in die Erde. Ein einziger Versuch, dafür aber optimale Bedingungen – ich wollte sehen, was daraus entstehen würde.

Ich schaue Pflanzen gerne beim Wachsen zu. Der langsame Prozess erinnert mich daran, dass Wachstum auch in Phasen des scheinbaren Stillstands geschieht. So ist es auch in meinem Lernen: Selbst wenn ich das Gefühl habe, es geht nicht voran, passiert doch etwas. Mich fasziniert das Potenzial, das in uns, das in einem einzigen Samen steckt – und auch die Überraschung, was daraus entsteht.

Über die Monate wurde die Sonnenblume für mich zum Symbol für Wachstum, Widerstandskraft und Erneuerung. Das Experiment mit der Pflanze lehrte mich über Antifragilität, als sie, nachdem ich sie zerstört hatte, statt einer Blüte gleich drei hervorbrachte – und es ermöglichte mir, meine eigene Entwicklung durch das Colearning zu beobachten. Vom Samen zur Blüte, und weiter zu neuen Samen.

Die Sonnenblume passt darüber hinaus auch perfekt zu meinem Projekt-Thema: Harry Styles.

https://youtu.be/tUUElxEGo0U?feature=shared

Ich wollte der Pflanze etwas Gutes tun und hatte plötzlich zwei Teile...
... doch zu meinem Erstaunen hatte ich dann statt einer Blüte vier Blüten...
...und habe anhand der Sonnenblume über Anti-Fragilität gelernt.
Bereit für den nächsten Schritt.

Colearning als Haltung

Meine Grundhaltung Menschen und Dingen gegenüber ist Neugierde. Lernen und Bildung begleiten mich durch mein Leben und haben mir immer wieder neue Perspektiven eröffnet. Ich komme aus einem klassischen Lernumfeld. Staatliche Grundschule und Gymnasien in Rheinland-Pfalz, katholische Hochschule in Frankfurt und Universität in Cambridge. Ich habe einige Jahre an einer Berufsschule unterrichtet und seit fünf Jahren arbeite ich in der Erwachsenenbildung. Diese Institutionen prägten meine Vorstellung, wie Bildung funktioniert: Es gibt die Wissenden und die, die von ihnen lernen. Doch je höher die angestrebte Qualifikation, desto mehr Freiheit und auch Einsamkeit empfand ich in meinem Lernprozess.

Während meiner Ausbildung zur Pastoralreferentin, die ich in meinen Vierzigern absolvierte, erlebte ich eine Form des Lernens, die über bloße Wissensvermittlung hinausging und Erfahrungswissen aktiv einbezog. Trotzdem war auch dieses Curriculum streng strukturiert und oft wenig flexibel.

Eine systematische Suche nach alternativen Lernansätzen hatte ich nicht. Vielmehr entwickelte ich intuitiv einen Stil, der es den Menschen in meiner Umgebung ermöglicht, in Freiheit und Vertrauen miteinander zu lernen. (Eine Praktikantin fragte mich einmal verwundert, ob ich „immer so wenig rede“. Diese Frage trifft den Kern meines Ansatzes Menschen Räume zu eröffnen und sie in diesen Räumen wachsen zu lassen.)

Im Colearning fand ich eine Idee und eine Community, die meinen Intuitionen Raum gibt und in der die Werte von Vertrauen, Freiheit und Selbstermächtigung verankert sind. Das Ziel ist es, traditionelle Lernstrukturen zu hinterfragen und das Lernen zu „verlernen“. In dieser Haltung fand ich endlich Worte und eine klare Sprache für das was mir beim Lernen um im Miteinenander wichtig ist.

Mehr Informationen finden sich hier https://www.colearning.org und hier https://handbuch.colearning.org/

Check-in beim Colearning Tag mit Christoph, Ben, Fredi und Marco.
Foto: Marco Jakob

Lernen macht mich glücklich

Seit meinem ersten Colearningtag im Effinger begleitet mich der Satz: „Lernen macht mich glücklich“. Ich habe durch das Colearning festgestellt, dass meine Biographie, die mir manchmal etwas sprunghaft erscheint, durch dieses Thema verbunden ist: meine Neugier und Freude am Lernen. Ich beginne, meine bisherigen Erfahrungen als zusammenhängende Bestandteile meiner Entwicklung wertzuschätzen. Es ist ein echter Augenöffner - ein Aha-Erlebnis - mein Lernen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Ich entdecke, dass mein vermeintlich unruhiger Lebenslauf durch das Thema „Lernen“ verbunden ist. Lernen ist mein Antrieb; es bewahrt mich vor der Langeweile. Mir wird immer klarer, dass das allein einen großen Wert darstellt.

Ich lerne zum Beispiel durch Aha-Erlebnisse. Es sind kleine Momenten, in denen mir ein Licht aufgeht. Es sind äußere Impulse, die in meinem Gehirn Verbindungen herstellen: Ich höre, lese oder sehe etwas, und plötzlich ist die Erkenntnis da. Ich kann förmlich spüren, wie der Groschen fällt, der Schalter sich umlegt. Ein solches Aha-Erlebnis war, das Bildung in meiner Familie tief verankert ist, und die Themen Lernen und Wissensvermittlung mir quasi in die Wiege gelegt worden sind. In einem Coaching mit Christoph wurde mir deutlich, dass Bildung und das Nachdenken über sie auf einer Metaebene schon immer mein Thema war – ich hatte es nur nie klar benannt. Was ist Bildung? Was bedeutet Lernen? Wie kann gutes Lernen gelingen, und wie können möglichst viele Menschen Zugang zu der Bildung erhalten, die sie brauchen? Diese Fragen sind nun greifbarer und strukturierter für mich. Es fühlt sich an, als ob ich endlich Worte für etwas finde, das lange unter der Oberfläche geschlummert hat.

Das Colearning ist keine Methode, sondern eine Haltung, die Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit und in die anderer voraussetzt und fördert. Besonders durch den Austausch mit Menschen aus verschiedenen Bereichen lernen die Colearner, ihre eigenen Fähigkeiten stärker zu würdigen und sich offen für Ideen und Impulse zu zeigen. Im Colearning erlebe ich die Aspekte: Austausch und Feedback in einer offenen, wertschätzenden Umgebung. Diese Lernhaltung, die auf Vertrauen zueinander und in sich selbst basiert, schafft Raum für mich für echte Begegnungen und die Freiheit, Neues zu wagen, ohne Angst vor Fehlern. Ich fühle mich durch diese Haltung bestärkt und mit meinen Mitlernenden tief verbunden. Das Colearning stärkt mein Selbstvertrauen und das Vertrauen in die Kraft einer lernenden Gemeinschaft.

Durch das Colearning habe ich mein Verständnis von Bildung präzisiert und ich habe Worte für meine Intuition gefunden: Bildung ist ein Prozess der Selbstermächtigung, der befähigt in Freiheit, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und Potenziale selbstbewusst zu entfalten. Ich persönlich habe meine eigene Lernbiografie neu entdeckt und schätzen gelernt. Bildung geht weit über formales Wissen hinaus – sie ist ein Weg, der mich ermächtigt, meine Talente zu nutzen, meine Intuitionen ernst zu nehmen und aktiv an meiner Entwicklung zu arbeiten.

Durch meine Teilnahme am CAS Colearning, habe ich die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort getroffen. Ohne die Menschen, die diese Haltungen in einer Community leben, würde das Konzept nicht funktionieren.

Ich habe viel über Intuitionen nachgeacht und hier auch geschrieben. Letzte Woche, bei einem Treffen zu neuen Formen von Kirche, sagte eine Kollegin: „Ich übersetze „Heiligen Geist“ mit Intuition“. Das war für mich eine Aussage, die dem Thema "Intuition" für mich als gläubigen Mensch eine zusätzliche Dimension gegeben hat und mir deutlich gemacht hat, wie wichtig es ist, auf die eigene Intuition zu hören und sie ernst zu nehmen.

Colearning Tag in Schaffhausen bei Christoph mit Sandra, Ben, Urs und Marco.
Foto: Marco Jakob

Entwicklung meines Projektthemas

Das Fandom von Harry Styles als moderne Sakramentserfahrung? Eine Auseinandersetzung mit Gemeinschaft, Identität und Glauben

Ich habe meinen CAS Colearning mit einer noch vagen Projektidee begonnen. Von Beginn an war mir klar, dass ich an einem bereits angestoßenen Projekt arbeiten wollte. Die Titel des Projekts wechselten zwar, doch im Kern drehte es sich immer um Themen der Gemeinschaftsbildung und neue kirchliche Formen. Harry Styles spielte ebenfalls eine Rolle darin, doch das laut zu sagen, fiel mir anfangs schwer. Zu stark prägt mich in meinem beruflichen Kontext die Unterscheidung zwischen dem, was als „seriöses theologisches Thema“ gilt, und dem, was oft als „unbedeutender Unsinn“ abgetan wird.

Durch viele Gespräche im Colearning und darüber hinaus sowie durch wertvolles Coaching von Christoph und Wolfgang Beck – und nicht zuletzt durch den Austausch mit Kolleg:innen, Freund:innen un meiner Familie – habe ich mich schließlich darauf eingelassen, die Fankultur von Harry Styles ernsthaft zu erforschen.

Die Colearning-Community, die einen "Lern Safe Space" darstellt, bot mir den nötigen Rahmen, um meine Ideen auszuprobieren. So konnte ich sie schließlich auch im formelleren Rahmen des Oberseminars in an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen präsentieren. Ich stellte fest, dass das Sprechen über meine Ideen in Safe Spaces oder vertrauensvollen Beziehungen mich nicht nur in meiner Ausdrucksfähigkeit gestärkt hat, sondern auch mein Selbstvertrauen gestärkt hat, an diesem Thema weiterzuarbeiten.

Was bisher aus dieser Thematik entstanden ist findet sich weiter unten.

Übertragung und Integration des Gelernten in meinen Arbeitskontext – die richtigen Methode zum richtigen Zeitpunkt

Mein Colearning CAS wird von meinem Arbeitgeber, der Erzdiözese Freiburg, unterstützt. Im Institut für Pastorale Bildung (IPB), der Bildungseinrichtung, in der ich arbeite, besteht ein Interesse an innovativen Lernformen.

Pastoralkurs Freiburg

In meiner Tätigkeit am IPB ist es meine Aufgabe, ehrenamtlich Engagierte in ihrer Arbeit zu unterstützen, ihre Sprachfähigkeit zu fördern und ihre Selbstwirksamkeit zu stärken. Das Hauptprodukt des Referates, das ich leite, ist der Pastoralkurs Freiburg. Der Kurs wurde vor 52 Jahren, inspiriert vom 2. Vatikanischen Konzil, von der Erzdiözese Freiburg ins Leben gerufen wurde. Er gibt Menschen, die sich in der Kirche ehrenamtlich engagieren, Wissen und Methoden an die Hand, um sie in ihren Tätigkeiten zu unterstützen und zu stärken.

Im Laufe der Jahre hat sich der Pastoralkurs kontinuierlich weiterentwickelt, maßgeblich geprägt durch die Veränderungen in Kirche und Gesellschaft. Die neuesten rasanten und tiefgreifenden Veränderungen in der Kirche haben uns vor Augen geführt, dass es auch bei der Weiterentwicklung des Pastoralkurses „mehr“ braucht - eine schnellere und umfassende Veränderung.

Parallel zu meinem CAS Colearning haben wir, das Team des Pastoralkurses, einen sogenannten „Sprint“ durchgeführt – eine kreative, intensive Methode aus dem Silicon Valley, die es ermöglicht, schnell und effektiv neue Ideen zu entwickeln. Dabei stellte sich heraus, dass wir mit dieser Methode mitten in der Welt des Colearnings gelandet sind.

Während der Sprint-Woche haben wir intensiv an der Frage gearbeitet: „Wie können wir ehrenamtlich Engagierte dabei unterstützen, durch den Pastoralkurs ermächtigt, sprachfähig und handlungsfähig zu werden?“ Im Rahmen des Sprints haben wir kontinuierlich Prototypen entwickelt und Feedback von über 40 Personen eingeholt, darunter Menschen, die den Kurs bereits absolviert haben, Referent:innen, potenzielle Teilnehmer:innen, Personen, die bisher noch nichts vom Pastoralkurs gehört hatten. Diese Vielfalt an Perspektiven hilft uns, ein durchführbares und ansprechendes Konzept zu entwickeln.

In dem neuen Konzept spielen Potenzialentwicklung, das Kirchenbild und die Haltung von Fresh Expressions of Church, die Methoden des Design Thinking und „Schätze heben“ und „ernten“ eine große Rolle. Besonders erfreulich für mich ist, dass meine Kolleg:innen die Grundsätze des Colearnings erfahren haben und wir diese in das neue Kursformat integrieren werden.

Eine neue Feedback Kultur

Es war schon lange mein Anliegen, die Zielgruppen mit ihrem Feedback in die Planung neuer Kurse einzubeziehen. Bisher fehlten mir dafür die passenden Worte und Methoden. Durch das Colearning und den Sprint hat sich für mich und mein Team eine Tür geöffnet und eine neue Welt eröffnet, aus der es für uns kein Zurück mehr gibt.

Wir haben gelernt, dass es um eine Haltung geht: Wir lernen durch Feedback und beziehen die Zielgruppe aktiv ein. Wir verabschieden uns von der Annahme, alles zu wissen und unser Wissen zu verteilen. Stattdessen geht es um selbst gesteuertes Lernen und das Lernen voneinander.

Institut für Pastorale Bildung

Die Colearning Idee bringe ich in die Arbeit des Instituts für Pastorale Bildung ein. Wir planen einen Werkstatt-Tag für alle Mitarbeiter:innen des Instituts, um uns mit den Ideen und Haltungen des Colearnings und des agilen Arbeitens auseinander zu setzen. Auch hier freue ich mich über Kolleg:innen, die Lust haben und offen sind für neue Lernformen. Ich stelle fest, dass wir am IPB in der freiwilligen Erwachsenenbildung eine viel größere Freiheit besitzen als z.B. in der Schule oder in festen Ausbildungskontexten. Das ermöglicht uns, neue Konzepte und Ideen auszuprobieren und umzusetzen.

Coworking und Colearning in Lörrach

In meinem Wohnort Lörrach begleite ich derzeit ehrenamtlich den Prozess zur Bildung eines Coworking Spaces und Colearning-Ortes in den Räumen der evangelischen Kirche. Zusammen mit der Pfarrerin Gudrun Mauvais und vielen Menschen denken wir darüber nach und entwickeln Ideen, wie in vorhandenen Räumen eine Community entstehen kann und die Kirche etwas für die Menschen vor Ort tun kann. Dabei nutzen wir Konzepte des Community Buildings und die Ekklesiologie von „Fresh Expressions of Church“. Auch hier geht es darum, neue, gemeinschaftsorientierte Lern- und Arbeitsräume zu schaffen. Ich freue mich, dass ich hier meine neuen Erfahrungen im Coworking und Colearning einbringen kann. Die Ideen weiterzugeben und zu verbreiten und an meinem Wohnort einen Ort zu schaffen, an dem sie zum Wohl der Menschen umgesetzt werden, ist etwas sehr besonderes für mich.

Zusammenfassung und Ausblick

Was hat das CAS Colearning gebracht?

Mein größter Lernerfolg besteht darin, dass ich mir selbst und meinen Ideen mehr vertraue. Im vergangenen halben Jahr habe ich erfahren, dass ich in der Lage bin, meine Vorstellungen umzusetzen. Dies reicht von meinem starken Gefühl, dass bei dem Harry Styles Konzert etwas Bedeutendes geschehen ist, bis hin zur Transformation des Pastoralkurses mit innovativen und außergewöhnlichen Methoden. Hierbei benötige ich einerseits den Mut, meine Ideen zu äußern und andere Menschen, die mir zuhören, mich ermutigen und aktiv mitwirken. Diese Unterstützung habe ich in den Colearnern im Effinger, in den Teilnehmenden des Oberseminars in Frankfurt, meinen Kolleg:innen im Institut für Pastorale Bildung (IPB) und in Lörrach gefunden.

Dank dieser Gemeinschaft und Menschen haben meine Ideen einen Safe Space gefunden, ein Zuhause, in dem sie umgesetzt werden können. Dafür empfinde ich große Dankbarkeit.

Der Abschluss des CAS im Colearning stellt für mich den Beginn eines neuen Kapitels dar. Die Vorstellung, Colearning als Lern- und Lebensumfeld sowie als unterstützende Umgebung für zukunftsfähige Lern- und Gemeinschaftsstrukturen zu etablieren, hat für mich gerade erst begonnen.

In diesem Jahr hat sich vieles, mit dem ich mich seit Jahren befasse, auf eine Weise zusammengefügt, die unerwartet war. Die richtigen Menschen und Ideen sind zum richtigen Zeitpunkt zusammengekommen. Für mich fühlt es sich wie ein kleines Wunder an. Ich bin voller Dankbarkeit, die Möglichkeit zu haben, meine Ideen umzusetzen und zu sehen, wie sie wachsen. Das, was in meinem Kopf war, sind nicht nur verrückte Ideen – es ist ein echtes Empowerment für mich.

Um das Bild der Sonnenblume aufzugreifen: Die Saat ist aufgegangen, gewachsen und hat geblüht. Diese Blüte hat viele neue Samen hervorgebracht, die ich weitergeben möchte.

Lernen ist ein wachsendes, lebendiges System — und das Weitergeben von Wissen ebenfalls.

Projekt

Mein Colearning CAS hat mir ermöglicht mein Forschungsthema zu präzisieren und meine Forschung zu beginnen. Ich bin noch am Anfang, das Folgende sind erste Thesen.

Das Fandom von Harry Styles als moderne Sakramentserfahrung? Eine Auseinandersetzung mit Gemeinschaft, Identität und Glauben

In einer Zeit, in der traditionelle religiöse Bindungen schwinden und viele Menschen die Kirche als überholte Institution betrachten, bleibt das Bedürfnis nach gemeinschaftlichen, sinnstiftenden Erlebnissen bestehen. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Fangemeinschaft von Harry Styles, die für viele eine Quelle emotionaler und spiritueller Orientierung ist. Diese Fangemeinschaft könnte als neuer Raum gedeutet werden, die den Menschen emotionale und spirituelle Orientierung bieten, ohne dabei traditionell religiös zu sein. Auch wenn die Fans selbst ihre Konzerterlebnisse nicht als „Sakrament“ bezeichnen würden, lassen sich in ihrem Fandom Elemente erkennen, die Theolog:innen als sakramentale Erfahrungen deuten können.

Harry Styles bietet durch seine Konzerte und seine öffentliche Präsenz seinen Fans mehr als einfache Unterhaltung. Seine Konzerte werden von ihnen als spirituelle Treffen empfunden, in denen wichtige Bedürfnisse erfüllt werden – das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Heilung. Für viele Fans wird der Besuch eines Konzerts zu einem Moment, in dem Musik, Performance und das gemeinsame Erlebnis eine spirituelle Erfahrung ist.

Sakrament

Die katholische Kirche kennt sieben Sakramente (Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung, Ehe, Weihe). Das Wort „Sakrament“ kommt vom lateinischen Begriff sacramentum und bedeutet „Heilszeichen“. Das heißt, in einem Sakrament wird Gottes Liebe sichtbar und spürbar. Die Sakramente begleiten die Gläubigen in wichtigen Momenten ihres Lebens und erinnern daran, dass Gottes Liebe immer gegenwärtig ist. Die katholische Kirche sieht sich selbst als eine Gemeinschaft, in der sie diese „heiligen Zeichen“ als das Band zu Gott und untereinander schützt und unter bestimmten Bedingungen weiter gibt.

Konvivalistische Sakramentenpastoral

"Konvivalistische Sakramentenpastoral" ist ein Begriff aus der Theologie, der sich mit der Feier von Sakramenten im Kontext des Konvivialismus beschäftigt. Der Konvivialismus ist eine philosophische und soziologische Strömung, die auf das gemeinsame Leben und die Kooperation zwischen Menschen abzielt. Er betont Werte wie Solidarität, gegenseitige Hilfe und das Streben nach einem guten Leben für alle. Der Begriff geht auf den französischen Philosophen Ivan Illich zurück, der ihn in seinem Buch "Tools for Conviviality" (1973) prägte. Konvivialismus setzt sich für nachhaltige und gerechte Lebensweisen ein und steht im Gegensatz zu wettbewerbsorientierten und konsumorientierten Gesellschaftsmodellen.

Sakramentenpastoral bezieht sich auf die pastorale Praxis und Theologie, die sich mit der Feier der Sakramente in der christlichen Kirche beschäftigt. Die Sakramentenpastoral zielt darauf ab, den Gläubigen diese Sakramente zugänglich zu machen und sie in ihrer spirituellen Bedeutung zu vertiefen.

Die konvivalistische Sakramentenpastoral ist ein Konzept, das darauf abzielt, Sakramente als Momente des Zusammenlebens und der Gemeinschaft zu verstehen und zu feiern. Der Begriff "Konvivialismus" stammt vom lateinischen "convivere," was "zusammenleben" bedeutet, und betont die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen und Gemeinschaft. In der konvivalistischen Sakramentenpastoral geht es darum, die Sakramente als Gelegenheiten zu betrachten, bei denen Menschen zusammenkommen, um das Leben in seiner Fülle zu feiern und eine tiefe, gemeinschaftliche Verbindung zu erfahren. Diese Perspektive kann auch auf die Erlebnisse bei Harry Styles' Konzerten angewendet werden. Seine Konzerte sind nicht nur musikalische Veranstaltungen, sondern auch Momente intensiver gemeinschaftlicher Erfahrung für die Fans. Menschen werden zusammengebracht und ihnen ermöglicht, das Leben zu feiern.

Safe Spaces und Heilung

Harry Styles' Konzerte und sein Fandom schaffen geschützte Räume, in denen Menschen frei und ohne Vorurteile ihre Identität finden und ausleben können. In diesen sogenannten „Safe Spaces“ erleben Fans Akzeptanz und Sicherheit, was eine starke Bindung untereinander und ein Gefühl des Aufgehobenseins ermöglicht. Die Werte, die Harry Styles verkörpert – Offenheit, Gleichberechtigung und Akzeptanz – sprechen viele Menschen an und stärken sie im individuellen Selbstausdruck. Besonders für junge Menschen, die im Alltag oft Diskriminierung und Vorurteilen begegnen, ist das Fandom ein Ort der Freiheit und Identitätsfindung.

Diese Safe Spaces übernehmen damit eine Funktion, die traditionell auch religiösen Gemeinschaften zukommt: Sie bieten jungen Frauen und queeren Menschen Schutz und Geborgenheit, wo sie ansonsten auf Ablehnung stoßen. In diesem Raum der Akzeptanz und Selbstbestätigung finden die Fans emotionale Heilung und erleben, ähnlich wie in religiösen Ritualen, Trost und Kraft durch die Gemeinschaft. Auch wenn keine Sakramenten im herkömmlich kirchlichen Sinne stattfinden, erinnern diese Erlebnisse an spirituelle Praktiken, bei denen Menschen innere Bestärkung erfahren.

Popstar oder Erlöser?
Die Bedeutung dieser Entwicklung für die Theologie: Eine umgekehrt missionarische Bewegung

Diese modernen Gemeinschaftsformen werfen Fragen für die christliche Theologie auf: Welche Rolle kann und soll Kirche in einer Welt spielen, die mehr und mehr über alternative Sinnangebote und Gemeinschaftsformen verfügt? Es stellt sich für mich die Frage, ob die Kirche ihre Rolle umdefinieren und von der Menschlichkeit und den Werten in der Welt lernen kann und ihren institutionellen Alleinvertretungsanspruch auf Wahrheit bzgl. des Glaubens verändern kann. Meiner Meinung nach fordern die Beobachtungen solcher Phänomene die Kirche auf, ihre Beziehung zur Welt neu zu überdenken. Statt zwischen einem „Innen“ und „Außen“ zu unterscheiden, könnte die Kirche anerkennen, dass heilende und spirituelle Erfahrungen auch außerhalb religiöser Kontexte existieren, den Menschen zugutekommen und sakramentalen Charakter haben. Die Kirche könnte in diesem Sinne eine „umgekehrte Mission“ annehmen, indem sie sich von der Welt inspirieren lässt und offen bleibt für Veränderungen, die außerhalb traditioneller religiöser Räume stattfinden. Dabei müsste sie sich von starren Strukturen lösen und auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen und Bewegungen wie ein Fandom als gleichwertig zu kirchlichen Gemeinschaften akzeptieren.

Eine Theologie der Menschlichkeit und Offenheit

Die sakramentalen Erfahrung, die im Fandom von Harry Styles sichtbar werden können, deuten darauf hin, dass die tief verwurzelten menschlichen Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Identität und Transzendenz über kirchliche Rituale hinausgehen und sich in modernen Kontexten entfalten. Für die Theologie bedeutet dies die Chance, Sakramente als gemeinschaftliche, menschenzentrierte Erfahrungen neu zu denken, die nicht nur auf die Kirche beschränkt sind, sondern die Vielfalt der menschlichen Erfahrung und Kreativität in der Welt anerkennen.

Harry Styles in Frankfurt am 5.7.2023. Hinten rechts neben dem Eingang sitze ich.
Foto: Lloyd Wakefield @lloyddddddddddddddd
Methode: Die teilnehmende Beobachtung

Als Methode, um das Fandom von Harry Styles zu untersuchen nutze ich die teilnehmende Beobachtung. Sie ist eine qualitative Forschungsmethode in der Soziologie und Anthropologie, die auch in der pastoraltheologischen Forschung verwandt wird. Sie wird verwendet, um soziale Phänomene in ihrem natürlichen Kontext zu erforschen. Die Beobachtende nimmt dabei an den Aktivitäten de Gruppe teil und versucht, das soziale Leben dieser Gruppe von innen heraus zu verstehen. In der Theologie wird sie u.a. genutzt um religiöse Praktiken, Rituale und Gemeinschaften zu erforschen. Ziel ist es, das religiöse Leben und Glaubenserfahrungen von innen heraus zu verstehen, indem die Forschenden aktiv an den religiösen oder kirchlichen Kontexten teilnehmen, die sie untersuchen.

Ein Beispiel einer meiner "teilnehmenden Beobachtungen" findet sich hier: https://www.christinefeld.net/mitten-drin-auf-der-suche-nach-erkenntnis/

Zusammenfassung

Symbolik der Sonnenblume für persönlichen Lernprozess: Die Sonnenblume steht als Symbol für Wachstum, Resilienz und Erneuerung. Diese Analogie veranschaulicht meinen Lernprozess, bei dem ich durch Selbstreflexion meine Potenziale entfalte und Aha-Erlebnisse sammele, die mir ein tieferes Verständnis meiner Erfahrungen ermöglichen.

Neue Lernhaltung durch Colearning: Das Colearning betont eine lernfördernde Haltung, die auf Vertrauen, Freiheit und Selbstermächtigung basiert. Es fördert eine Abkehr vom traditionellen Lehrmodell hin zu einem Ansatz, der auf Austausch, Feedback und individuellem Wachstum setzt. In dieser Methode finde ich die Werte meiner Intuition bestärkt und eine vertiefte Gemeinschaftserfahrung und die Wertschätzung für das Lernen voneinander.

Anerkennung der Intuition als spirituelle Dimension: Ich entdecke, dass Intuition und eine tiefe Verwurzelung in spirituellen Werten einen starken Einfluss auf mein Lernen haben. Dies findet Ausdruck in der Interpretation der Aussage, dass der "Heilige Geist" als Intuition verstanden werden kann, was mich bestärkt, meiner inneren Stimme im Lernprozess zu vertrauen.

Neue Formen der Wissensvermittlung und Empowerment im kirchlichen Kontext: In meiner Arbeit, in der pastoralen Bildung setze ich auf innovative Methoden wie Design Thinking und Feedbackkultur. Der Sprint-Prozess hat unser Team gelehrt, das Wissen der Teilnehmenden aktiv einzubeziehen und voneinander zu lernen, was zu einer Transformation des Kursangebots führte. Diese Erfahrung zeigt die Effektivität partizipativer Lernmodelle und stärkt meine Überzeugung, dass selbstorganisiertes Lernen und gemeinschaftsorientierte Lernräume in der kirchlichen Bildung zentrale Werte sind.

Neue Perspektiven auf Gemeinschaft: Das Projekt über das Fandom von Harry Styles eröffnet eine neue Perspektive auf Gemeinschaftsbildung und sakramentale Erfahrungen. Ich stelle Parallelen zwischen Fankultur und spirituellen Gemeinschaftserfahrungen fest, wobei Safe Spaces und Heilung eine zentrale Rolle spielen. Moderne Gemeinschaftsformen wie diese, sprechen spirituelle Bedürfnisse an, die traditionell von der Kirche erfüllt werden, und stellen ein Lernpotenzial für die Theologie dar.

Reflexion über die Rolle der Kirche in modernen Gemeinschaften: Meine Beobachtungen im Harry Styles Fandom regen zur Reflexion an, wie die Kirche auf die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft eingehen könnte. Die Kirche ist herausgefordert, die Grenze zwischen "innen" und "außen" zu überdenken und offen für das Lernen von anderen Gemeinschaftsformen zu sein.

Zusammenfassend betone ich die Bedeutung von Freiheit, Selbstreflexion und Intuition im Lernprozess und skizziere eine visionäre, gemeinschaftsorientierte Lernhaltung, die sowohl auf persönlicher als auch institutioneller Ebene transformative Potenziale entfaltet.